Pressemitteilung Interview mit U. Auffenberg
Gelassenheit als Lebenskunst
Ullrich Auffenberg liest aus seinem neuen Buch
Büren (29.09.2025) "Gelassenheit ist eine innere Haltung, auf die wir Menschen in jeder Lebensphase existenziell angewiesen sind" sagte Monsignore Ullrich Auffenberg anlässlich seiner Buchlesung bei der Caritas Büren. Diese Haltung müsse immer wieder geübt werden, denn sie falle nicht vom Himmel. Bei der der Vorstellung seines neuen Buches: "Sorgt Euch nicht. 36 Anstöße zur Gelassenheit" nahm er seine Gäste an die Hand und führte sie durch zum Teil biographische Erzählungen, die den Weg zur Gelassenheit sichtbar werden lassen. Er lädt er ein, Gelassenheit als Lebenskunst zu entdecken - als aktive Kraft, die uns trägt und befreit.
Wir sprachen mit ihm über Gelassenheit als Lebenskunst:
Was hat sie bewogen dieses Thema aufzugreifen:
Als ich in Rente ging, da dachte ich, dass ich all den Stress los bin, es gemütlich werden kann. Aber ich merkte, dass es in mir nicht gemütlich geworden ist. Die inneren Antreiber, die mich ein Leben lang verfolgten, gaben auch jetzt keine Ruhe. Sie sind in mir. Die sind in jedem Menschen.
Mit "innere Antreiber" meinen Sie jene inneren Stimmen, die uns zuflüstern, dass wir nicht genügen? Die behaupten, dass wir klüger, besser oder schöner sein müssten?
Oft sind es innere Überzeugungen, die uns seit Kindertagen nicht loslassen. Die Angst vor dem Verlust von Liebe, die Furcht, den Ansprüchen an mich nicht zu genügen, schwächer und armseliger zu sein als die Geschwister, die Mitschüler, die Kolleginnen und Kollegen. Der Weg zur Gelassenheit führt über das Loslassen dieser inneren Antreiber.
In Ihrem Buch schreiben Sie, dass zur Gelassenheit zulassen, loslassen und überlassen gehören. Wie meinen Sie das?
Wir sind ständig gefordert Vertrautes - liebe Menschen, Gewohnheiten, berufliche Routinen - loszulassen. Ob wir das wollen oder nicht. Lassen wir uns auf das Loslassen ein, gelingt der nächste Schritt, das Zulassen, leichter. Denn auch das Zulassen neuer Erfahrungen oder Erkenntnisse ist eine kraftvolle Kunst. Wenn ich schließlich in der Lage bin, diese lieben Personen oder Gewohnheiten, dem Glauben oder Gott zu überlassen, dann fällt mir der Abschied leichter. Insgesamt sind diese Veränderungen ein ständiger Prozess, der das ganze Leben begleitet. Wenn ich beginne dies zu akzeptieren und entsprechend zu begleiten, reiben wir uns weniger auf.
Wie sind Sie persönlich vorgegangen?
Ich habe meiner Seele Raum gegeben, bin mit den inneren Antreibern ins Gespräch gegangen und habe sie eingehegt. Tag für Tag in immer neu geschaffenen Räumen der Ruhe und Stille. Die Räume, und wenn es nur fünf Minuten am Tag sind, geben der Seele einen spürbaren Platz, in denen wir uns auf uns besinnen. Ich betrachte meine inneren Antreiber und sage ja zu ihnen. Wenn ich ja zu mir und meinen Schwächen sagen kann, stärkt mich das und mein inneres Gleichgewicht. Das ist nichts anderes als Gelassenheit. Aber das müssen wir üben. Das kommt nicht von alleine.
Wie kann ich mir das praktisch vorstellen?
Es gibt eine spirituelle Übung, die "In meinen Atem gehen" heißt. Dies beschreibt, wie man durch bewusste Achtsamkeit auf den eigenen Atem zur Ruhe kommen und eine tiefere Verbindung zu sich selbst herstellen kann. Es ist ein Weg, um die innere Mitte, sprich Gelassenheit zu finden. Auf diese Weise kommen Sie zu sich und sind nicht mehr außer sich. Die Mystikerin Hildegard von Bingen hat gesagt: "Mein Atem ist mein Gebet!" Das ist auch eine schöne, spirituelle Übung und eine "Atempausen für die Seele".
Muss das mit einem Gebet einhergehen?
Nein, einfache Atemübungen gehen zum Beispiel so: Setzen oder stellen Sie sich entspannt hin, und atmen Sie langsam ein und wieder aus, während sie sich gedanklich auf einen Punkt in ihrem Körper richten. Versuchen Sie die Außenwelt auszublenden. Versuchen Sie, ganz bei sich zu sein. Das hört sich trivial an, ist aber ausgesprochen wirkungsvoll, wenn man dies ein paar Mal am Tag ganz bewusst macht.
Und was hat das mit dem Beten im Atemrhythmus auf sich?
Im Christentum und eigentlich allen anderen Religionen haben der Atem und das Atmen ja keine rein körperliche, sondern auch eine große spirituelle Dimension. So gibt es bei den Jesuiten das Gebot nur "atmend" zu beten. Beten Sie mal das "Vater unser" in ihrem Atem. Da spüren sie jede Zeile in sich und kommen zur Ruhe.
Nun ist Gelassenheit ja nicht nur ein Thema für gläubige Menschen, oder?
Vielleicht liegt das daran, dass wir unseren Gott zu einem Langweiler oder zu einem strafenden Gott gemacht haben. Die christliche Mystik sagt: Augen, Mund und Ohren schließen, denn Gott findest Du auf dem Grund Deiner Seele. Das ist mein innerer Raum, in dem meine Wünsche, Hoffnungen und Träume wohnen. Da begegnen wir Gott. In allen Religionen ist Gott der Seelengrund, der leben und heil sein will. Die verschiedenen Religionen sind nur unterschiedliche Wege dahin. Und zu Ihrer Frage: Diese Selbsterfahrung ist für jeden Menschen möglich, der sich auf sich selbst einlassen möchte.
Kann ich Gelassenheit nur alleine finden?
Nein, kraftvoll können auch gemeinsame Rituale, gemeinsames Singen im gleichen Atem, gemeinsame Yoga- oder Tai-Chi-Übungen sein.
Es gibt Menschen, die scheint nichts aus der Ruhe zu bringen und andere sind schon bei der kleinsten Störung auf 180. Ist die Gelassenheit manchen Menschen in die Wiege gelegt?
Ich glaube eher, dass wir als Kinder geprägt werden und unsere Antreiber in uns wachsen. Und je früher wir uns mit denen liebevoll auseinandersetzen, desto besser gelingt uns der Weg in unsere innere Mitte. In meiner Arbeit als Seelsorger habe ich immer wieder von Menschen, die im Sterben lagen gehört, dass sie sich im Leben mehr Gelassenheit gewünscht haben. Daher sage ich mir regelmäßig: Ich lebe mit der Gewissheit, dass ich endlich bin. Deshalb lebe ich endlich!
Über Ullrich Auffenberg
1949 in Paderborn geboren, absolvierte Auffenberg 1968 sein Abitur am Theodorianum in Paderborn und studierte von 1968 bis 1974 Philosophie und Theologie in Paderborn und Freiburg i. Breisgau. 1974 wurde er im Dom zu Paderborn zum Priester geweiht und arbeitete von 1975 bis 1979 als Vikar in Möhnesee-Körbecke. Es schlossen sich Stationen als Regionalvikar für die Region Hochstift Paderborn und Pfarrvikar in Bad Driburg-Alhausen an. Später war er Rektor der Jugendbildungsstätte des Erzbistums Paderborn in Hardehausen, dann Pfarrdechant der Gemeinde St. Aegidius in Rheda-Wiedenbrück, Geistl. Rektor und Direktor der Bildungsstätte St. Bonifatius in Winterberg-Elkeringhausen und schließlich Referent beim Diözesancaritasverband Paderborn für religiös-pastorale Bildung von Mitarbeitenden in sozialen Einrichtungen. Im Jahr 2019 trat Auffenberg in den Ruhestand, verfasste zahlreiche Bücher und arbeitet ehrenamtlich in Kursen und Gottesdiensten des christlichen Bildungswerks die Hegge in Willebadessen.
Über das Buch:
Sorgt euch nicht! (Gebundene Ausgabe) 36 Anstöße zur Gelassenheit
von Ullrich Auffenberg (Autor)
ISBN: 978-3-451-03568-5